WiYou.de - Ausgabe 01/2014 - page 29

Ohmmmmmmmmmm!
Relax! Jetzt! Das ist der Plan. Wer ab und an Stress im Job hat, sollte für eine ausgeglichene Freizeitbeschäftigung
sorgen. Und was könnte ausgleichender sein als Yoga. Liest man ja schließlich überall; die Stars machen es vor,
auch auf DVD für daheim. Aber neues Jahr, neuer Vorsatz: Also dann einfach mal ´nen Kurs gesucht, raus aus’m
Haus und rauf auf die Matte.
In meiner alten Schulsporthose und Motörhead­Shirt stehe ich mit 14 anderen Damen vor Ober­Yogi­„Hi, ich bin
die Andrea“ und bin GEspannt auf meine erste Stunde ENTspannung. „Jeder sucht sich einen Platz, der ihm ein
gutes Gefühl gibt“ – für bisherige Antigruppensportler wie mich heißt das: ganz hinten. Dann verteilt die Andrea
Ingwertee und erklärt: „Wir sind fernab vom Alltag. Ein eigener Kreis. Wir hier drinnen müssen das Draußen drau­
ßen lassen.“ Ah, OK! Wer möchte, darf sich kurz vorstellen. Ich möchte nicht, unterliege aber dem Gruppenzwang.
Die Andrea hat sich inzwischen auf ein Sitzkissen zurückgezogen, rührt in einer Schale Räucherkräuter zusammen
und heißt jeden einzelnen noch einmal vornamentlich willkommen. Ich bin einigermaßen beeindruckt, dass sie die
Katrin, die Julia und all die anderen so fehlerfrei zuordnen kann. Dann geht´s endlich los.
„Wir legen uns hin, schließen die Augen und fühlen nach.“ Stille. Hier und da leises Atmen, Schniefen, Röcheln. Die
Minuten vergehen. Es riecht verbrannt. Ich blinzle – um zu gucken, ob mit die Andrea alles OK ist. Scheint so. Sie
sitzt und rührt und lächelt vor sich hin. Ich glaube, die anderen sind eingeschlafen. Leicht verdientes Geld eigentlich,
wenn man so einen Kurs leitet. Eine Stunde kostet pro Person zehn Euro, wenn die Andrea nur zwei Kurse am Tag
gibt … „Jetzt öffnen wir die Augen und setzen uns langsam auf“ reißt mich aus meinen Gedanken. Inzwischen ist
der ganze Raum vernebelt. Die Andrea kann ich aber noch schemenhaft erkennen. Es folgen Verknotungsanwei­
sungen in scheinbar willkürlich gewählter Reihenfolge, linkes Bein ans rechte Knie, rechte Hand an linken Ober­
schenkel – die Andrea lässt ihrerseits Worten keine Taten folgen und wir müssen uns ohne Schaubild selbst sortie­
ren. Meine Mattennachbarin und ich sehen hilfesuchend uns, dann die Andrea an: „Keine Sorge, es gibt kein Falsch.
Jeder macht es so, wie es für ihn am besten ist.“ Die mindestens Siebzigjährige vor mir scheint den Dreh rauszuha­
ben. Bei ihr sieht es fast so aus, wie man sich als Laie Yoga vorstellt. Mein Ehrgeiz ist geweckt.
Inzwischen liegen wir auf dem Bauch, Hände an den Füßen. Es wird geatmenschaukelt. Ein vor, aus zurück. Es funk­
tioniert. Das könnte meine Übung werden, wenn mein Gesicht nicht immer gefährlich nah an die Matte kommen
würde. Die riecht nämlich alles andere als desinfiziert. Kann man Fußpilz auch im Gesicht bekommen?
Wir dürfen wieder aufstehen. Es folgen Übungen – die Andrea nennt sie Asanas, die die Beweglichkeit fördern sol­
len. Bei mir wird allenfalls das Schmerzempfinden gefördert. Es krampft im Bein, zieht im Nacken, sticht im Brust­
korb – die Andrea sagt, das sei normal.
Und schon wieder hinlegen, zur Abschlussmeditation. „Wir befinden uns auf einer Wiese, spüren das Gras unter
uns. Wir denken an gar nichts. Fühlen uns frei.“ Ich versuche angestrengt, unangestrengt zu sein, spüre statt dem
zarten Grün aber nur starke Schmerzen und fühle mich nicht sonderlich entspannt, zumal die Räucherluft allmählich
in den Augen beißt. Die Andrea singt uns derweil noch ein Mantra. Vielleicht beim nächsten Mal doch lieber mit
DVD vor der heimischen Couch! Ohmmm.
Schussi, eure Mamu
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